In der Arbeit mit Opfern sexueller Gewalterfahrungen in der Kindheit haben wir es immer mit starken Gegensätzen und Ambivalenzen zu tun. Als Feministinnen, als professionelle BeraterInnen mit emanzipatorischem Anspruch haben wir sowohl gesellschaftspolitische wie individuelle Kategorien im Umgang mit diesen Widersprüchen. Aber genügen unsere Kategorien?
Gerade die Erfahrungen massiver sexualisierter Gewalt, Schmerz und Dissoziation legen ein Denken in Polen nahe: Gut-böse, Opfer-Täter(in), Mann-Frau. Wir leben in einer Welt mit Dichotomien, und wir können sie nicht verlassen.
Aber was geschieht, wenn wir diese Dichotomien, wenn wir das Denken, Fühlen und Arbeiten in Polen nicht als letztgültig stehen lassen? Wieviel Widerspruch halten wir aus, können und wollen wir uns miteinander zumuten - auch auf diesem Kongress? Im Eröffnungsvortrag möchten wir Sie auf diese Reise einladen und erzählen, wie sie für uns begonnen hat und welche Erfahrungen wir unterwegs gemacht haben.

Welche Selbstbilder haben weibliche und männliche Persönlichkeitsanteile und welche Auswirkungen hat dies auf die Alltagsgestaltung, das Körpererleben und soziale Beziehungen? Ist die innere "Rollenverteilung" ein Abbild gesellschaftlicher Geschlechterrollen und Machtverhältnisse?
Wie lässt sich dies mit Theorien zur Entstehung und Funktion von Persönlichkeitsanteilen verbinden, insbesondere mit der Theorie der strukturellen Dissoziation (Nijenhuis u.a) und der Ego-State-Theorie (Watkins, Peichl)?

Unter dem Geschlecht der Menschen versteht unsere Gesellschaft eine Variable mit genau zwei Ausprägungen: Weiblich und männlich.
Schon in der ersten Lebenswoche Neugeborener erzwingt das Gesetz die Festschreibung dieser Norm. Doch die Lebensrealität vieler ist eine andere: Intersexuelle haben körperliche Ausprägungen beider Geschlechter; Transsexuelle fühlen sich dem Geschlecht zugehörig, dessen Körper sie nicht bewohnen; Und Menschen, die Viele sind, können einen Reichtum an Varianten in sich bergen. Wie nutzen all diese Menschen Dissoziation, um überleben zu können? Und welche Strategien nutzen wir auf der Suche nach einem erträglichen Leben in der weiten Welt zwischen Marilyn Monroe und Rock Hudson?

Viele Klientinnen und Klienten mit ausgeprägten Dissoziationen bis hin zur DIS haben Erfahrungen mit massiver sexueller, physischer, psychischer und systematischer, wiederholter Gewalt - häufig in Verknüpfung von Elternhaus und Organisationen. Es gibt Verbindungen von organisierter Kriminalität, kommerzieller Ausbeutung und satanistischen Kulten. Vom Quälen bis hin zum Opfern von Tieren und Menschen sowie dem Zwang der eigenen Beteiligung gibt es Formen der Gehirnwäsche, die den Menschen als "soziales Wesen" zerstören sollen.
Welche Formen und Organisationen von destruktiven Kulten gibt es in Deutschland? Wie sieht es aus mit ihren internationalen Verflechtungen, ihrer kommerziellen Bedeutung? Wie verhält es sich mit geschlechtsspezifischen Unterschieden in Sekten und Kulten? Und was brauchen wir an gesellschaftlichen und gesetzlichen Veränderungen, an Aus- und Weiterbildung sowie an finanziellen und organisatorischen Rahmenbedingungen, um die betroffenen Mädchen und Frauen, Jungen und Männer adäquat zu unterstützen?

Wodurch zeichnet sich Täterschaft aus? Wo beginnt und wo endet sie? Wie zeigt sich dies im Opfertum? Wann schlägt eins in das andere um? Welche typischen psychischen Gemeinsamkeiten lassen sich trotz äußerer Gegensätzlichkeit von Täter und Opfer feststellen? Wodurch reproduzieren sich Täter- und Opferstrukturen? Welche Auswirkungen hat dies auf den Umgang mit uns selbst und den Umgang mit den KlientInnen?