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Matthiessen, Prof. Dr. Peter F.

Vita
• geb.1944
• Facharzt für Neurologie, Psychiatrie u. Psychotherapie
• Medizinstudium in Marburg
• Wissenschaftlicher Mitarbeiter Anatomisches Institut I Universität
Marburg
• Weiterbildung zum Facharzt in Herdecke und Dortmund
• 1980 bis 1983 Oberarzt ...   [mehr]
Vita
• geb.1944
• Facharzt für Neurologie, Psychiatrie u. Psychotherapie
• Medizinstudium in Marburg
• Wissenschaftlicher Mitarbeiter Anatomisches Institut I Universität
Marburg
• Weiterbildung zum Facharzt in Herdecke und Dortmund
• 1980 bis 1983 Oberarzt an der Universitätsnervenklinik Marburg
• 1983 bis 1998 Leitender Arzt am Gemeinschaftskrankenhaus
Herdecke, zunächst der Modellabteilung „Psychiatrische Abteilung
für Jugendliche und junge Erwachsene“, später auch der
„Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie“ einschließlich der
Psychiatrischen Tagesklinik in Witten
• 1986 bis 1996 Aufbau und Leitung von zwei Projektgruppen an
der UW/H zur Betreuung zweier staatlicher Forschungsförderprojekte
zur Komplementärmedizin im Auftrag der Bundesregierung:
„Unkonventionelle Methoden der Krebsbekämpfung (UMK)“
und „Unkonventionelle Medizinische Richtungen (UMR)“
• Mitbegründer der Universität Witten/Herdecke (UW/H)
• 1992 Habilitation
• 1996 bis 2009 Inhaber des Lehrstuhls für Medizintheorie und
Komplementärmedizin an der UW/H
• seit 2000 Gründungsmitglied des Dialogforums Pluralismus in der
Medizin
• seit 2009 Leiter des Arbeitsbereichs Methodenpluralität im Zentrum
für Integrative Medizin, Fakultät für Gesundheit, Department
für Humanmedizin, Universität Witten/Herdecke
• Herausgeber der Schriftenreihe „Perspektiven – Schriften zur
Pluralität in der Medizin“, Verlag Akademische Schriften (VAS)
• zahlreiche Veröffentlichungen zu den Themen Medizintheorie,
Komplementärmedizin, Integrative Medizin und Methodologie
ärztlicher Erkenntnisgewinnung   [weniger]

Einzelfallforschung zwischen Evidence based Medicine und Narrative based Medicine Einzelfallforsch. zwischen Evidence- und Narrative based Medicine

Kongress: 11. Internationaler Coethener Erfahrungsaustausch
45 min, deutsch
Inhalt / abstract
Abstract
Ärztliches Erkennen bewegt sich im Spannungsfeld zwischen allgemeiner
Krankheitslehre und individueller Krankheitssituation.
Ausgangspunkt aller medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnis ist
dabei der Einzelfall; und der Endpunkt ärztlichen Handelns ist
wiederum der Einzelfall. Vom „Fall“ aus, von kasuistischer Forschung
also, nimmt nomothetisch ausgerichtete Forschung ihren
Weg zur Suche allgemeiner Regeln. Dabei hat sich die induktive
Erkenntnismethode des statistischen Schließens und ihre Anwendung
im Rahmen klinischer Studien als weitgehend monopolisierte
Form der Evaluation der therapeutischen Wirksamkeit etabliert.
Als Königsweg von Studien zur therapeutischen Wirksamkeit gilt
das randomisierte Therapieexperiment, der Randomized Controlled
Trial (RCT).
Dieser Ansatz ist eng mit der sogenannten Evidenzbasierten
Medizin (EbM) verwandt. Ein wesentlicher Fortschritt liegt hier in
dem Bestreben, nicht nur die Frage nach der internen Validität von
Studienergebnissen, d. h. die Frage nach der Aussagekraft der
erzielten Studienresultate für eine konkrete Problemstellung in der
ärztlichen Praxis thematisch zu verfolgen. Unter dem Augenmerk
auf die Frage: „Sind die Ergebnisse der vorliegenden Studie für
meinen Patienten überhaupt relevant?“ hat sich die ehemalige
Dominanz der klinischen Forschung zur therapeutischen Wirksamkeit
unter hoch artifiziellen Bedingungen relativiert zugunsten einer
auf den Nutzen für den Patienten im therapeutischen Alltag fokussierenden
Versorgungsforschung. Dennoch gilt für diese Forschungsrichtung,
dass sie an Patientenkollektiven gewonnen wird
und ihre Wirksamkeitsaussagen sich auf signifikante Unterschiede
zwischen den Mittelwerten von Kollektiven beziehen. Neben zahlreichen
systemimmanenten Verzerrungs- und Irrtumsmöglichkeiten,
auf die in Form einer Übersicht eingegangen wird, ist ein zentraler
Schwachpunkt dieser Methodik, dass sie bezüglich der Übertragung
der Studienergebnisse auf einen konkreten, individuellen
Patienten über keine Rationalität verfügt.
Das im Rahmen von EbM verfolgte Bestreben, die ärztliche Irrtumsanfälligkeit
durch quantitative Irrtumswahrscheinlichkeiten zu ersetzen,
hat sich seinerseits als irrtumsanfällig erwiesen. Formalisierungsbestrebungen
bei der Gewinnung, Verarbeitung und
Bewertung von Daten ersetzen aber nicht das Urteil über den
Wahrheitsgehalt einer Datenlage durch einen erfahrenen Arzt und
Methodiker.
Als Gegengewicht zu einer einseitig biomedizinisch und quantitativstatistisch
ausgerichteten Medizin wird seit einiger Zeit, insbesondere
von niedergelassenen Ärzten, gefordert, die Einseitigkeit von
EbM durch eine Narrative based Medicine auszutarieren.
Hier handelt es sich um einen Ansatz, bei dem Narrationen, also
verbale Erzählsegmente, von Patienten, aber auch von Angehörigen,
Ärzten etc., als Datengrundlage dienen und mit hermeneutischen
Methoden gedeutet und bewertet werden. Insofern der
Patient nicht nur ein biomedizinisch zugängliches Objekt ist, sondern
stets auch ein geschichtlich sich darlebendes Subjekt, stellt
sich die Aufgabe, im Hinblick auf die Beforschung von Erkrankungsund
Gesundungsprozessen eine zählende durch eine erzählende
Methodik zu ergänzen.
Das darf freilich nicht bedeuten, biomedizinisch gewonnene
Beobachtungen und Schlussfolgerungen durch phantasievolle
Narrationen zu romantisieren. Die ergänzende Verfolgung einer
narrativen Kultur kann aber, indem sie den stets interpretativen
und wertenden Charakter diagnostischer Aussagen hervorhebt,
die grundsätzliche Kontext-, Standort- und Perspektivengebundenheit
unseres Erkennens verdeutlichen, demzufolge Objektivierung
gerade nicht Ausschluss, sondern methodische Einbeziehung der
Subjektbezogenheit all unseres Wahrnehmens und Erkennens
bedeutet.
Obwohl der Gestaltbegriff im etablierten Wissenschaftsbegriff
derzeit marginalisiert ist, charakterisiert sich die ärztliche Erkenntnisbildung
dadurch, dass sie in Wahrnehmen und Denken gestalthaft,
taxonomisch ist, was an Beispielen aufgezeigt wird. Für eine
Medizin, deren Anliegen es ist, den Menschen in seiner Vieldimensionalität
in Gesundheit und Krankheit in den Blick zu nehmen, wie
dies insbesondere bei der Anthroposophischen Medizin und der
Homöopathie der Fall ist, und die insofern bestrebt ist, das Augenmerk
über allgemeine medizinische Merkmale hinaus auf die Personalität
und Individualität eines konkreten Menschen zu richten,
der in Gesundheit und Krankheit um die Verwirklichung seiner
Lebensgeschichte ringt, stellt sich die Aufgabe, dem gegenwärtigen
Trend einer Flucht in die große Zahl die Einzelfallforschung entgegenzustellen
in Form akribischer, prospektiv dokumentierter Einzelfallanalysen.
Was in der Praxis durch den erfahrenen Arzt – aber in
der Regel implizit – geleistet wird, sollte im Rahmen von aussagekräftigen,
investigativen Kasuistiken auf ein höheres und
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