Keupp, Prof. Dr. Heiner
Von der (Un-)Möglichkeit erwachsen zu werden – mit aktuellen Bezügen zur Ausstellung
Kongress: 12. Bonner Symposium zur Psychotherapie 60 min, deutsch Inhalt / abstract Das Jugendalter ist einerseits deutlich riskanter geworden und andererseits aus dem fachlichen und gesellschaftlichen Blickfeld geraten. Die zunehmenden psychosozialen Probleme Heranwachsender, die durch aktuelle Studien aufgezeigt werden, erfordern eine Fokussierung auf das Jugendalter. Jugendspezifische Erfahrungswelten werden in einer Gesellschaft erheblich komplexer und risikoreicher, in der zunehmend einheitliche Ziele und Werte abhanden kommen, die von der Pluralisierung der Lebensstile gekennzeichnet ist und in der die gegebenen Lebenschancen höchst unterschiedlich verteilt sind. Der tief greifende soziokulturelle Umbruch, der sich gegenwärtig vollzieht, zeigt gerade bei Heranwachsenden seine "Kostenseite". Die Lebenssituation von Jugendlichen ist heute durch eine eigentümliche Spannung gekennzeichnet: Einerseits sind auch schon für Jugendliche die Freiheitsgrade für die Gestaltung der eigenen individuellen Lebensweise sehr hoch. Andererseits werden aber diese "Individualisierungschancen" erkauft durch die Lockerung von sozialen und kulturellen Bindungen. Der Weg in die moderne Gesellschaft ist, so gesehen, auch ein Weg in eine zunehmende soziale und kulturelle Ungewissheit, in moralische und wertemäßige Widersprüchlichkeit und in eine erhebliche Zukunftsunsicherheit. Deswegen bringen die heutigen Lebensbedingungen auch so viele neue Formen von Belastung mit sich, Risiken des Leidens, des Unbehagens und der Unruhe, die teilweise die Bewältigungskapazität von Jugendlichen überfordern. Sie zahlen, um im Bild zu sprechen, einen "hohen Preis" für die fortgeschrittene Industrialisierung und Urbanisierung, der sich in körperlichen, psychischen und sozialen Belastungen ausdrückt. | ||
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