Gesichter der Gewalt
Interdisziplinärer Kongress der Reformierten Landeskirche Aargau
Die Reformierte Landeskirche Aargau greift am dritten Kongress nach 2008 und 2010 am 9. und 10. November 2012 in Aarau erneut ein aktuelles, gesellschaftlich relevantes Thema auf. Gewalt ist durch Medienberichte über Exzesse auf den Strassen, unter Jugendlichen und in den ...
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Gibt es einen Konsens über Werte, die Gewalt verhindern und zu Frieden führen?75 min, deutschInhalt / abstract Mit: SP-Nationalrätin Yvonne Feri, SVP-Nationalrat Ueli Giezendanner, FDP-Grossrat Thierry Burkart. Wenn der moderne Staat Gewalt verhindern und ein friedliches Zusammenleben in einer vielfältig und spannungsvoll zusammengesetzten Gesellschaft erreichen will, lebt er von Voraussetzungen, die er nicht allein gewährleisten kann. Der Staat hat lediglich Mittel wie Ordnungskräfte, Polizei und Justiz oder Aufklärung, Repression und Strafvollzug. Grundlegend ist aber ein Wertekonsens in der Gesellschaft über den Umgang mit Konflikten und den Verzicht auf Gewalt. Politikerinnen und Politiker diskutieren zusammen mit Vertreterinnen und Vertretern von Kirchen und Religionen, ob dieser Wertekonsens in der Schweiz noch existiert und wie diese Werte in der heutigen Gesellschaft vermittelt werden können. Welche Rolle spielen dabei die Religionen und Kirchen und ihr Verhältnis zum Staat? «Gibt es einen Konsens über Werte, die Gewalt verhindern und zu Frieden führen?» diskutierte am Freitagabend ein Podium zur Eröffnung des Interdisziplinären Kongresses «Gesichter der Gewalt» der Reformierten Landeskirche Aargau in Aarau. Die Diskussion mit Claudia Bandixen, Cebrail Terlemez und Hans Ulrich Gerber, die von AZ-Chefredaktor Christian Dorer moderiert wurde, zeigte: Es harzt. | ||
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Referat 2 Polizei: Gewalt – und der Staat als Ordnungsmacht?40 min, deutschInhalt / abstract Mit diesen alltäglichen Erscheinungen von Gewalt ist vor allem die Polizei konfrontiert, für die Irene Schönbächler, Polizeihauptmann der Aargauer Kantonspolizei, sprach. Unter dem Titel «Gewalt und der Staat als Ordnungsmacht» berichtete sie von den Erfahrungen mit häuslicher Gewalt, Gewalt im öffentlichen Raum oder auch Gewalt gegen die Polizei selbst, mit denen sie sich täglich konfrontiert sieht. Sie erläuterte das «3D-Modell» der adäquaten Reaktion mit Dialog, Deeskalation und schliesslich auch «Durchgreifen», an dem sich Polizisten orientieren. «Gewalt muss staatliche Konsequenzen haben, und zwar rasch und professionell», beschrieb Irene Schönbächler das Ziel der Polizeiarbeit. Sie fragte sich aber auch selbstkritisch, wie sie selbst mit der Aggression und dem Hass umgeht, den solche Erfahrungen in ihr auslösen. Dabei sei ihr der christliche Glaube eine grosse Hilfe. | ||
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Referat 3 Theologie: Gewalt – und das christliche Menschenbild45 min, deutsch | ||
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Referat 4 Jugend: Nur wo Funken sprühen, entstehen zündende Ideen – Wo ist das Problem, Mann?45 min, deutschInhalt / abstract Dr. phil. Allan Guggenbühl, Lehrer, Psychologe und Psychotherapeut, ging von der Wahrnehmung aus, dass in den Medien Jugend und Gewalt häufig gleichgesetzt würden. «Das stimmt natürlich nicht,» meinte Guggenbühl. Aber tatsächlich besäßen Jugendliche eine besondere Faszination für Risikosituationen, Tabubrüche und damit auch für Gewalt, was sich in ihrer Vorliebe für gewaltverherrlichende Computerspiele oder Musik zeige. Zudem lebten Jugendliche in der Adoleszenz nach anderen Werten als Erwachsene. Während Ältere auf Sicherheit und Gesundheit setzen würden, suchten junge Leute das Risiko, Dynamik und besondere Erlebnisse. Diese zu finden, sei in unserer gesättigten mitteleuropäischen Gesellschaft, in der ältere Leute die Mehrheit bilden und dadurch die Werte bestimmen, schwieriger geworden. Zudem wollen sich Jugendliche von den Erwachsenen abgrenzen und sie mit Tabubrüchen bewusst provozieren. «Jugendliche brauchen Momente, in denen die Funken sprühen und viele haben kein Problem mit Gewalt», sagte Guggenbühl. In der heutigen Welt, in der sich viele Eltern betont jugendlich geben, aber nach Sicherheit suchten, könne Gewalt der Provokation dienen, denn «Erwachsene reagieren mit Panik auf Gewalt», und damit erhalten Jugendliche die besondere Aufmerksamkeit, die sie eigentlich suchten. | ||
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Wertevermittlung in der Gesellschaft90 min, deutschInhalt / abstract Seminar - Wertevermittlung in der Gesellschaft: Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann. | ||
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Referat 1 Psychologie: Gewalt – etwas Urmenschliches?45 min, deutschInhalt / abstract Der Chefarzt Forensik der Psychiatrischen Dienste Aargau kam zum Schluss, dass Gewalt unter Menschen schon immer normal gewesen sei. Eine gewaltfreie Gesellschaft habe es noch nie gegeben, wenn sich auch die anerkannten Formen und die Definition von Gewalt je nach Epoche und Kultur geändert haben. «Gewalt ist für den Menschen immer eine Option», meinte Sachs. Dass wir sie nicht öfters anwenden, sei eine Folge unserer Erziehung. Kleine Kinder haben noch keine Hemmungen, zu schlagen oder zu treten. Später entwickeln sie ein Gewissen und lernen, auf Gewalt zu verzichten. Den «geborenen Verbrecher», wie man ihn früher vermutete, gebe es nicht, so Sachs. Allerdings würden junge Männer häufiger gewalttätig als andere Bevölkerungsgruppen. Auch Suchtmittel oder psychische Erkrankungen wie Schizophrenie könnten die Gewaltbereitschaft steigern. In bestimmten Situationen, zum Beispiel wenn sie selbst oder ihre Familie bedroht werden, seien aber wohl die meisten Menschen zur Gewalt fähig. | ||
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