10. Internationaler Coethener Erfahrungsaustausch (ICE10)
200 Jahre Organon: Reicht der naturwissenschaftliche Ansatz für eine Medizin des 21. Jahrhunderts? Ist das Organon noch zeitgemäß?
Mit diesen Fragen befasste sich der Kongress unter vielen Blickwinkeln und zog gleichzeitig eine Bilanz der Veranstaltungsreihe "Organon 2010". Dabei standen folgende Themen im Vordergrund:
• Aktualität des Organons
• Wissenschaftliches Arbeiten in der Homöopathie
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• Aktualität des Organons
• Wissenschaftliches Arbeiten in der Homöopathie
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Dürr, Prof. Dr. Hans-Peter Classen, Carl Sparenborg-Nolte, Dr. Anne Brinkmann M.A., Axel Wischner, Dr. Matthias Walach, Prof. Dr. Harald Fox-Gál, Eva von Ammon, Dr. Klaus
Komplettsatz aller aufgenommenen Vorträge660 min | ||
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Kernaussagen aus der Veranstaltungsreihe60 min, deutschInhalt / abstract Das Ziel dieser Veranstaltungsreihe zur Feier von "200 Jahren Organon" (1810-2010) ist es, der Relevanz und Modernität einiger Grundgedanken im Organon – auch über die Homöopathie hinaus – nachzuspüren. Es geht unter anderem um das Ähnlichkeitsprinzip, den Krankheits- und Wissenschaftsbegriff der Homöopathie. In diesem Vortrag zum Abschluss der Reihe soll ein Resümee gezogen werden. Nur scheinbar besteht ein Gegensatz zwischen "Schulmedizin" und "Komplementärmedizin" – der wesentlich größere und relevantere Gegensatz besteht zwischen einer seriellen und einer individualisierten Medizin. | ||
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Homöopathie 200 Jahre zwischen Geistes- und Naturwissensch.60 min, deutschInhalt / abstract Lässt sich Klassische Homöopathie einer der traditionellen Wissenschaften zuordnen oder ist sie eine angewandte Heilkunst? Auf einem chronologischen Spaziergang durch die ersten zwei Jahrhunderte homöopathischer Theorie und Praxis soll dieser Frage nachgegangen und eine Antwort versucht werden. Diese wird helfen, den Stand der Homöopathie im gegenwärtigen Gesundheitswesen zu erklären. Abstract Samuel Hahnemann wurde 1755 in Meißen in die Familie eines Porzellanmalers geboren und konnte eine humanistische Schule besuchen. An diese Phase geisteswissenschaftlicher Prägung schloss sich ein konventionelles Medizinstudium in Leipzig, Wien, Hermannstadt (Siebenbürgen) und Erlangen an. Von 1780 bis 1805 war er rastlos als Arzt, Übersetzer, pharmazeutischer und hygienischer Forscher tätig, der seit 1812 in Leipzig und seit 1821 in Köthen überraschend innovative naturwissenschaftlich begründete medizinische Experimente durchführte. Unter Hahnemanns Schülern dominierten zunächst geisteswissenschaftliche Einflüsse, die sich an v. Bönninghausen („Dissoziation“ und „Genius“) und Boger (Generalisierung und Synopse) zeigen lassen. In London vertrat dagegen Hughes einen deduktiven klinisch-pathologischen Ansatz. In den USA war Kent zunächst Anatomie-Dozent und entwickelte nach der Heilung seiner Frau durch Homöopathie unter dem Einfluss Svedenborgs eine homöopathische Philosophie mit Ausrichtung auf mentale Kräfte. Ausgehend von Hahnemanns Miasmen-Konzept führte JH Allen die „tuberkulinische Diathese“ ein und Ortega entwickelte diese Konzepte auf zelluläre, individuelle, soziale und arzneiliche Ebenen weiter. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts dominierte in Deutschland die „naturwissenschaftlich-kritische“ Richtung der klinischen Homöopathie mit niedrigen Potenzen. Unter dem Einfluss des Schweizers Voegeli erhielt ab Mitte der 50er Jahre die Kent’sche Richtung mit Hochpotenzen im deutschen Sprachraum größeres Gewicht. Vithoulkas propagierte ab 1970 Klassische Homöopathie als energetische „Medizin der Zukunft“ mit teleologischer Ausrichtung, naturwissenschaftlichen Konzepten und neuen Analogien: (mentale) Essenz des Patienten und „Seele“ der Arznei. Sankaran verordnete ab 1980 einerseits Arzneien (ausschließlich) nach mentalen Symptomen, teilte andererseits die „Themen“ der Minerale nach dem Periodensystem der Elemente ein, was Scholten ab 1990 deduktiv zu einem analytisch-synthetisch zu nennenden Heilverfahren weiterentwickelte und nun auf Arzneien des Pflanzenreichs ausarbeitet. Für Masi war „Psora“ Angelpunkt einer miasmatischen Dynamik, die ausgehend von Thomas von Aquin ihren Ausdruck in einem pathologisch veränderten inneren Leitmotiv findet, das durch metaphysische Analogie im Arzneimittelbild zu finden sei. Sehgal setzte aktuelle pathologische Geisteszustände der Patienten als Analoga zu bekannten Arznei-Rubriken um. Dass die Wissenschaft der Homöopathie praktisch angewandt als Kunst zu verstehen sei, findet sich von Hahnemann (Organon der Heilkunst) über Vithoulkas bis in die Gegenwart. Auf der anderen Seite sind gegenwärtig die evidenzbasierten Leitlinien-„Empfehlungen“ klinischer Behandlungspfade für eine Akzeptanz in staatlichen Gesundheitswesen Europas unerlässlich. | ||
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Die Sprache des Organon - Übersetzung ins Englische60 min, deutschInhalt / abstract Was ist in den geläufigsten Übersetzungen fehl- oder verlorengegangen? Erst dadurch erkennt man die Essenz – und die Genialität – des Originals. Abstract Es geht mir in diesem Vortrag um die eigentliche Sprache des Organon. Am Beispiel einiger Schlüsselbegriffe möchte ich zeigen, wie Hahnemann diese Begriffe systematisch und konsequent einführt, entwickelt und erweitert und wie sein Text an Präzision, Resonanz, Prägnanz und Schärfe gerade dadurch gewinnt. Gleichzeitig zeige ich auf, wie in den geläufigsten Übersetzungen, trotz manchmal adäquater semantischer Wiedergabe, gerade diese Charakteristika des Originals verlorengehen. Um diesen konsequenten Aufbau seiner Haupt- Termini nachzuvollziehen, dienen mir vor allem die ersten Paragraphen, die für alles Weitere maßgeblich sind. Ich konzentriere mich auf zwei Begriffskomplexe, die beide auf einer Sprachwurzel mit unzähligen Derivaten beruhen: 1. Heil-kunst, -Künstler, -Mittel / Un-heil, Heil-los usw., die den zentralen Heil-begriff dynamisieren. 2. Stimm-en, Ver-stimmen, Über-stimmen, Umstimmen, Be-stimmen, die dem Hahnemann‘schen Krankheitsbegriff unterliegen. | ||
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Neues aus dem Organon I.45 min, deutschInhalt / abstract In den letzten Jahren gab es neue Erkenntnisse zu Form und Inhalt des Organons. Eine genaue Analyse der einzelnen Auflagen zeigt beispielsweise, dass das Organon aus verschieden alten Textteilen zusammengesetzt ist. Diese Flickenteppichstruktur hat zur Folge, dass sich widersprüchliche Aussagen aus Hahnemanns Hauptwerk ableiten lassen. Für eine angemessene Interpretation sind also immer alle vorhandenen Ausgaben zu berücksichtigen. Der aktuelle Kenntnisstand wird zusammengefasst. | ||
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Homöopathie im Licht neuerer wissenschaftlicher Befunde60 min, deutschInhalt / abstract Die Kontroverse um die Homöopathie geht nun schon in die nächste Runde. Eine Weile schien es, als würde gute Forschung die Wirksamkeit der Homöopathie beweisen. Dann wiederum kehrte große Frustration in die Forschergruppen ein. Momentan diskutiert das National Center for Complementary and Alternative Medicine, ob Homöopathie überhaupt weiter untersucht werden sollte. Einige neuere Befunde, vor allem aus der vergleichenden klinischen Forschung und unsere eigenen Arzneimittelprüfungsdaten stimmen wieder moderat hoffnungsvoll. Wie lässt sich die eigenartige Befundlage verstehen? Heißt "mangelnde Wirksamkeit" im klassischen pharmakologischen Sinne "Wirkungslosigkeit"? Es wird versucht, durch ein Modell nicht-lokaler Effekte etwas Licht ins Wirrwar der Auffassungen zu bringen und die These plausibel zu machen: "Homöopathie ist effizient und wirkt, auch wenn sie nicht im klassisch-pharmakologischen Sinne wirksam ist." | ||
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Hahnemanns Praxis im Spiegel des Organons II.45 min, deutschInhalt / abstract Betrachtet man Hahnemanns Krankenjournale oberflächlich, sieht es aus, als hätte er sich in seiner Praxis nur selten an das gehalten, was er im Organon lehrt. Das Gegenteil ist jedoch der Fall. Viele Organon-Paragrafen lassen sich nämlich erst dann richtig verstehen, wenn man sie mit Fällen aus Hahnemanns Praxis abgleicht. Bislang häufig unbeachtete Stellen erweisen sich dann als Schlüssel für ein korrektes Verständnis von Hahnemanns therapeutischer Herangehensweise. Dies wird verdeutlicht anhand von Fallbeispielen. | ||
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Miasmenverständnis heute - einige Anmerkungen60 min, deutschInhalt / abstract "Die Psora sollte in ihre Bestandteile gesplittet werden, keine einfache Aufgabe; sie wurzelt im Vagen, ihr Stamm und ihre Zweige wachsen im Irgendwo. Die Psora der Homöopathen scheint irgendwie wahr zu sein, aber sie hat keinen richtigen Anfang, keinen definitiven Verlauf und endet im Chaos." (J.C. Burnett) Diese Wirrnis erstreckt sich mittlerweile auf das gesamte Verständnis der Miasmen. Aus der Perspektive einiger heutiger Erkenntnisse und Überlegungen soll dem Hahnemann‘schen Ansatz von der Störung der Lebenskraft durch Krankheiten nachgegangen werden. Dabei soll eine Vorstellung davon entwickelt werden, wie Krankheiten generell verstanden werden können, welches Verständnis des Begriffs "Ansteckung" daraus abgeleitet werden kann und welche therapeutischen Konsequenzen daraus gezogen werden können. | ||
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Der Faktor60 min, deutschInhalt / abstract Abstract Symptome und Krankheitsdiagnosen, welchen Namen auch immer sie tragen mögen, stehen im Leben des Patienten in einem inneren Zusammenhang, entspringen einer Verstimmung der Lebenskraft, die in der Homöopathie als die eigentliche chronische Grundkrankheit gilt. Echte chronische Krankheiten entwickeln sich nicht zufällig, sondern sind nach Hahnemann auf einen oder mehrere miasmatische Einflüsse zurück zu führen, derer sich die Lebenskraft nicht von selbst entledigen kann. Hahnemann hat 7/8 dieser von außen nach innen fortschreitenden miasmatischen Krankheiten als Psora bezeichnet. Auch heute sehen wir beinah täglich in den Biographien von Patienten eine Abfolge von Krankheiten, die immer schwerwiegender werden und die Lebensqualität mehr und mehr einschränken. Solche chronischen miasmatischen Krankheiten werden nur in Einzelfällen homöopathisch geheilt, obwohl die Homöopathie den Anspruch vertritt, sie in einem reversiblen Stadium grundsätzlich heilen zu können. Es ist daher an der Zeit, die Psoralehre Hahnemanns eingehend in Bezug auf ihre zentralen Aussagen zu prüfen und in der Praxis anzuwenden. Die chronische miasmatische Krankheit hat eine Entwicklungsgeschichte. Unter geeigneter homöopathischer Behandlung kann ihre Rückentwicklung beobachtet werden, weil eine dynamische Arznei einen direkten Einfluss auf die Lebenskraft ausüben kann. Dabei durchläuft der Patient verschiedene symptomatische Stadien, z. B. kehren die Symptome, die früher einmal bestanden haben zurück und manifestieren sich in weiter außen gelegenen Bereichen. So wie die chronische Krankheit unbehandelt selbst dann weiter fortschreitet, wenn es durch günstige äußere Bedingungen zeitweilig den Anschein hat, als sei sie zum Stillstand gekommen, so gilt auch das Umgekehrte für die Heilung: Zeitweilig hat man den Eindruck, es gehe nicht weiter. Die richtige Einschätzung des Zeitfaktors ist neben dem Verständnis von Heilungsverläufen bei miasmatischen Krankheiten noch immer eine Herausforderung für die Homöopathie. Die Heilung ist ein Geschäft der Lebenskraft, nicht das unsrige, wir müssen sie ihre Wege gehen lassen. Unsere Aufgabe ist die Kunst, ihr den richtigen Anstoß zu geben. Ein Fallbeispiel dient zur Demonstration. | ||
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Stoff und Gestalt. Von der Realität zur Potenzialität60 min, deutschInhalt / abstract Abstract Die moderne quantenmechanisch-holistische Physik hat aufgezeigt, dass Materie im Grunde nicht mehr materiell ist. Die „eigentliche“ Wirklichkeit basiert nicht auf einem durch Wechselwirkung aufeinander bezogen Urstoff, sondern primär auf einem a-materiellen informierten Beziehungsgefüge, einer entstofflichten Form, einer reinen „Gestalt“. Wirklichkeit ist also nicht „Realität“, dinglich-gefesselte Wirklichkeit, sondern in offener Weise eine „Potentialität“, ein prinzipiell vielfältiges Vermögen, sich indeterminiert materiell-energetisch zu realisieren. Dies erlaubt das Lebende wie das Unbelebte auf die gleichen immateriellen Beziehungswurzeln zurückzuführen. Sie unterscheiden sich nur qualitativ in ihrem Ordnungscharakter. Wirklichkeit als Potentialität entspricht in gewisser Weise einem „geistigen“ Urgrund, der von einem inspirierten, doch noch unreflektierten Bewusstsein „erahnt“ werden kann, aber jenseits eines Wissens liegt, wie es die exakten Naturwissenschaften erfordern Nicht nur die Religionen, sondern auch die Wissenschaften müssen bescheiden zur Kenntnis nehmen, dass sie die „eigentliche“ Wirklichkeit im Untergrund nicht angemessen beschreiben können, aber uns weiterhin als Gleichnisse in verschieden Formen hilfreich eine Orientierung bieten. | ||
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Einfluss philosophischer Grundhaltungen bei der Homöopathie90 min, deutschInhalt / abstract Welche philosophischen Grundhaltungen erlauben umfassende begründete und verständliche Einsichten in alle Aspekte der homöopathischen Medizin? Ein grundlegendes Verständnis von Homöopathie würde jede Art ideologischer Auseinandersetzung überflüssig machen. | ||
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Organon - Methoden und Wege zur Vermittlung90 min, deutschInhalt / abstract Abstract Der persönliche Gewinn beim Studium des Organon und weiterer Schriften Hahnemanns hängt wesentlich von den Erwartungen, Absichten und Zielen ab, mit denen diese Schriften gelesen werden, und wenn möglich von einer Begleitung, die zu einer fruchtbaren Auseinandersetzung führt. Hoffen wir schnell umsetzbare Anweisungen zu finden? Trotz einer Reihe dezidierter Anleitungen im Einzelfall ist das Organon kein Lehrbuch in heutigem Sinne. Hoffen wir eine sichere Grundlage des Praktizierens zu finden? Faktisch berufen sich sehr unterschiedliche Anwendungsarten der Homöopathie auf die angeblich gemeinsame Grundlage des Organon. Oder ist das Organon-Studium ein Pflichtritual, welches die Zugehörigkeit zu einer eingeweihten Gemeinschaft begründet? Oftmals wird das Organon als Bibel missbraucht, welche jede Strömung auf ihre eigene Weise auslegt. Angesichts der unterschiedlichen Strömungen und Richtungen in der Homöopathie ist nichts wichtiger als eigene Orientierungsfähigkeit zu gewinnen. Eine fundierte Kenntnis der Wurzeln der Homöopathie und wesentlicher Momente ihrer historischen Entwicklung ist sehr hilfreich, um Neuerungen einschätzen zu können. Besteht die Aufgabe von Dozenten vornehmlich darin, die bekannten sprachlichen Widerstände zu glätten? Möchten wir ein „Organon light“, am liebsten als Powerpoint aufbereitet? Oder lassen sich den Flechtbandstrukturen des Organon eigene Qualitäten abgewinnen, die wir nutzen können? Ein lebendiger Austausch von und mit Studierenden über den Sinn- und Sachgehalt von Organon- Paragraphen setzt voraus, dass ein erstes Textverständnis schon vorab erarbeitet wurde. Strukturierte Vorbereitung ist einer der Schlüssel zu einer ergiebigen Diskussionskultur. Hier hinein fügen sich historische Hintergründe sowie Zusammenhänge innerhalb der Werke Hahnemanns. Bei der Diskussion der Praxisrelevanz darf sich zeigen, welche Aussagen Hahnemanns mit einer gewissermaßen zeitlosen Präsenz dastehen, welche Aussagen wir zunächst auf die Ausgangsfragen und historischen Umstände zurückverfolgen müssen, bevor wir sie in die heutige Zeit transponieren, und wo Hahnemann schlicht irrte. Carl Classen startete eine Umfrage unter früheren und heute praktizierenden Kursteilnehmern, wie sie das Organon- Studium im Rückblick erlebten. Trotz der sprachlichen Distanz wollte niemand im Nachhinein die Erarbeitung von Hahnemanns Grundlagenwerk missen, und manche ziehen auch für ihre Praxis gelegentlich das Organon zu Rate. | ||
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